Dabei kommt uns die Erfahrung aus einer langjährigen Befassung mit der Materie (schon vor der "Stunde Null" am 01.01.2016) und aus zahlreichen Praxis-Fällen zu Gute.
Fast immer bleiben wir als "Ghostwriter" diskret im Hintergrund.
Wie wichtig ein überzeugender Antrag ist, belegt u.a. BGH Beschl. v. 23.07.2019 - AnwZ (Brfg) 37/19 (s.u.).
An Versorgungswerk gezahlte Mindestbeiträge als Pflichtbeiträge i.S. von § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI
BSG, Urt. v. 23.09.2020 - B 5 RE 3/19 R
Aus dem Terminsbericht:
„Bereits der Wortlaut der Vorschrift ‘einkommensbezogen‘ legt eine weniger strikte Relation zwischen der Höhe des erzielten Einkommens und der Beitragshöhe nahe als die von einzelnen Gerichten synonym verwendeten Begriffe ‘einkommensabhängig‘ oder ‘einkommensgerecht‘. Aufgrund der systematischen Zusammenhänge, in denen die Regelung steht, ist jedoch auch ein Mindest- oder Grundbeitrag zum Versorgungswerk als ‘einkommensbezogen‘ anzusehen. § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI verlangt als Befreiungsvoraussetzung unter Buchstabe b ebenfalls, dass ‘nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind‘. In praktisch allen Satzungen der Versorgungswerke ist eine Beitragserhebung in pauschalierter Höhe durch Festlegung sowohl eines Regelpflichtbeitrags als auch eines Mindestbeitrags vorgesehen. Beiträge in Höhe eines Prozentsatzes der individuellen beitragspflichtigen Einnahmen werden allenfalls nur auf besonderen Antrag und nach Vorlage entsprechender Nachweise festgesetzt. Pauschalierte Beiträge kennt auch das Beitragsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung in § 165 SGB VI in Form des Regelbeitrags und des Mindestbeitrags für versicherungspflichtige Selbstständige sowie des halben Regelbeitrags. Die Einkommensbezogenheit dieser pauschalen Beiträge ist in der Rechtsprechung bislang nicht in Frage gestellt worden.
Auch der Sinn und Zweck des § 231 Abs 4b SGB VI spricht dafür, Mindest- oder Grundbeiträge zum Versorgungswerk als einkommensbezogen im Sinne des Satzes 4 anzusehen. Der Gesetzgeber wollte nach den Entscheidungen des Senats vom 03.04.2014 im Hinblick auf das Befreiungsrecht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht den bisherigen Status quo weitestgehend aufrechterhalten bzw. wiederherstellen. Dazu sollten Syndikusrechtsanwälte unter angemessener Berücksichtigung des aufgrund der bisherigen Rechtspraxis geschaffenen schutzwürdigen Vertrauens wie bisher von der Rentenversicherungspflicht befreit werden und in den anwaltlichen Versorgungswerken verbleiben können. Dieses auch vom BVerfG in seinen Kammerbeschlüssen vom Juli 2016 (1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14) hervorgehobene Ziel wird am effektivsten erreicht, wenn auch die Grund- oder Mindestbeiträge nach den beitragsrechtlichen Regelungen der Versorgungswerke als einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs 4b Satz 4 SGB VI angesehen werden.“
Keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei auch nur geringfügiger Drittberatung
BGH, Urt. v. 22.06.2020 - AnwZ (Brfg) 23/19
a) Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt voraus, dass die anwaltliche Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis des Antragstellers prägt. Eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten von Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zu einer Beratung des Kunden verpflichtet hat (...).
b) Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 Abs. 5 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser nur vereinzelt dessen Kunden berät. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus.
Zu den Anforderungen an die Angaben zur anwaltlichen Prägung
BGH, Beschl. v. 23.07.2019 - AnwZ (Brfg) 37/19
Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof ausgeführt, dass die Angaben des Klägers zu Art und Umfang seiner Tätigkeit wenig präzise und substantiell sind. Der Kläger hat - trotz Aufforderung seitens der Beklagten im Verwaltungsverfahren sowie seitens des Anwaltsgerichtshofs in erster Instanz - zu keinem Zeitpunkt eine hinreichend konkrete Aufstellung über Art, Inhalt und Umfang seiner Tätigkeit vorgelegt, aus der belastbare Rückschlüsse auf den Anteil anwaltlicher Tätigkeit an seiner Gesamttätigkeit gezogen werden könnten. Der von ihm exemplarisch vorgelegte Tätigkeitsbericht für eine Woche im Dezember 2016 ist schon deshalb wenig aussagekräftig, weil er nur konkrete Angaben zu der vom Kläger als anwaltlich eingeschätzten Tätigkeit, nicht jedoch solche zu der sonstigen Tätigkeit enthält und somit nicht einmal auf Plausibilität prüfbar ist. Zudem genügt die Darlegung für eine Woche hier nicht, um ein Bild von der Gesamttätigkeit des Klägers und dem Anteil der anwaltlichen Tätigkeit hieran zu erhalten. Die sonstigen Angaben in den Schriftsätzen des Klägers sind pauschal und lassen eine plausible Schätzung der Arbeitsanteile nicht zu. Die von ihm angegebene prozentuale Aufteilung seiner Arbeitszeit ist mangels hinreichend konkreter Angaben nicht prüfbar ... .
Zur Bedeutung von § 46 Abs. 5 BRAO (externer Datenschutzbeauftragter)
BGH, Urt. v. 02.07.2018 - AnwZ (Brfg) 49/17
NJW 2018, 3100 m. Anm. Offermann-Burckart
a) Bei dem Merkmal der anwaltlichen Tätigkeit in "Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers" (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO) handelt es sich nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern - ebenso wie bei den Bestimmungen in § 46 Abs. 2 bis 4 BRAO - um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt.
b) In
Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1,
2 BRAO ist nicht tätig, wer von diesem bei dessen Kunden als externer
Datenschutzbeauftragter eingesetzt wird.
c) § 46 Abs.
5 BRAO verstößt, soweit danach ein als externer Datenschutzbeauftragter bei
Kunden seines Arbeitgebers eingesetzter angestellter Unternehmensjurist nicht
in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig wird, nicht gegen Art. 12 Abs.
1 Satz 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.
Zur fachlichen Unabhängigkeit
BGH, Beschl. v. 01.08.2017 - AnwZ (Brfg) 14/17
NJW 2017, 2835 m. Anm. Offermann-Burckart
Regelungen,
die keine Weisungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses sind und an die auch der
Arbeitgeber gebunden ist, berühren die fachliche Unabhängigkeit und
Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts, unabhängig von
Dichte und Detailliertheit dieser Regelungen nicht.
Keine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für Referentin für Rechtspolitik
AGH Hessen, Urt. v. 08.05.2017 - 1 AGH 14/16
BRAK-Mitt. 2017, 248 m. Anm. Offermann-Burckart
1. Die reine Erstellung von Rechtsgutachten, die sich nicht auf einen konkreten Streitfall beziehen, ist nicht als anwaltliche Tätigkeit anzusehen.
2. Als Syndikusrechtsanwalt kann nur zugelassen werden, wer unmittelbar den Arbeitgeber oder aber bei Verbänden die Verbandsmitglieder unmittelbar betreffende Rechtsverhältnisse bzw. Angelegenheiten betreut.
3. Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt muss ferner die Befugnis enthalten, den Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten nach außen verbindlich zu vertreten.
Kostentragungs-Pflicht der Rentenversicherung in erledigtem "Alt-Verfahren"
SG Düsseldorf, Beschl. v. 01.02.2017 - S 44 R 2042/16
Billig erscheint es hier, die Beklagte mit den dem Kläger entstandenen Verfahrenskosten zu belasten. Zwischen den Beteiligten stand im Streit, ob der Kläger für seine ... ausgeübte Tätigkeit bei ... von der Versicherungspflicht zu befreien ist. Mit Bescheid vom 11.08.2016 sprach die Beklagte dem Kläger für diese Tätigkeit aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 231 Abs. 4b SGB VI rückwirkend eine Befreiung von der Versicherungspflicht aus.
Unabhängig davon, ob nach der alten Rechtslage ein Befreiungsgrund zugunsten des Klägers vorlag, hat sich ein solcher jedenfalls mit Inkrafttreten des § 231 Abs. 4b SGB VI ergeben. Da der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung den seitens des Klägers begehrten Rechtszustand - gerade im Hinblick auf das Befreiungsrecht - herstellen wollte, erscheint es gerechtfertigt, den Kläger von den Verfahrenskosten freizustellen und diese der Beklagten aufzuerlegen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 19.07.2016 - 1 BvR 2584/14 - Rdn. 19 bis 21).
Zusicherung der fachlichen Unabhängigkeit in Vertragsergänzung reicht aus
AGH NRW, Beschl. v. 14.11.2016 - 1 AGH 19/16
Der Arbeitsvertrag des Beigeladenen vom 13.12.2013 ist durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 wirksam dahin geändert worden, dass der Beigeladene, was seine anwaltliche Tätigkeit angeht, weisungsungebunden handelt.Dies ergibt sich eindeutig und ausdrücklich aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016.
Die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 ist auch Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen dem Beigeladenen und seiner Arbeitgeberin geworden. Die ursprüngliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen im Verhältnis zu seiner Arbeitgeberin ist dadurch wirksam abbedungen worden, obgleich die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 nicht ausdrücklich bestimmt, dass die in ihr enthaltenen Regelungen dem Arbeitsvertrag vom 13.12.2013 vorgehen.
Der Inhalt des unter dem 03.02.2016 geschaffenen Vertragsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen und seiner Arbeitgeberin, bestehend aus den Regeln des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 und der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016, ergibt sich im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB.
Aus dem Umstand, dass der Beigeladene und dessen Arbeitgeberin die Tätigkeitsbeschreibung vor dem Hintergrund des Antrags auf Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt erstellt haben und es hierfür einer Änderung des bisherigen arbeitsvertraglichen Verhältnisses bedurfte, ergibt sich, dass die Vertragsparteien eine Abänderung des ursprünglichen Arbeitsvertrages im Sinne der Tätigkeitsbeschreibung herbeiführen wollten. Das Schaffen einer unklaren arbeitsvertraglichen Situation durch ein unklares Verhältnis zwischen dem Inhalt des Arbeitsvertrages und der Tätigkeitsbeschreibung war bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage weder von dem Beigeladenen noch von seiner Arbeitgeberin gewollt. Dass die Beteiligten den Arbeitsvertrag von Anfang an im Sinne der Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 ändern wollten, ergibt sich nunmehr unzweifelhaft aus der ergänzenden Vereinbarung vom 23.06.2016.
Der wirksamen Änderung des Arbeitsvertrages zum 03.02.2016 durch die schriftlich unvollständig formulierte Tätigkeitsbeschreibung gleichen Datums steht nicht entgegen, dass nach § 16 des Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 Vertragsänderungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen.
Der nach der Konzeption des Vertrages im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen geltende § 16 sieht zugleich den Vorrang individueller Vertragsabreden vor. Daher ist nach einer Auslegung des Arbeitsvertrages vom 13.12.2013 davon auszugehen, dass das Schriftformerfordernis lediglich Beweiszwecken dienen und keine konstitutive Wirkung haben soll, weshalb mündlich getroffene Abreden vorrangig Geltung haben (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 305b Rdn.5; BAG NJW 2009, 316 Tz. 27 ff., zitiert nach juris). Danach reicht es für die wirksame Änderung des Arbeitsvertrags durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 03.02.2016 aus, dass der Beigeladene und seine Arbeitgeberin am 03.02.2016 Einigkeit erzielt haben, dass der Beigeladene in fachlich-rechtlicher Hinsicht ab sofort fachlich unabhängig tätig werden soll.
Zulassung auch für "Schadenjuristen"
AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 - 1 AGH 34/16
Die Unabhängigkeit der Tätigkeit der Beigeladenen wird nicht, wie die Klägerin meint, dadurch in Frage gestellt, dass sie aufgrund umfassender Kodifizierung durch allgemeine und besondere Versicherungsbedingungen nur geringe Beurteilungsspielräume hinsichtlich der Frage des Vorliegens von Tatbestandsvoraussetzungen habe. Es liegt in der Natur der Rechtsberatung und -vertretung, dass allgemeingültige oder individuell vereinbarte Kodifizierungen gleich welcher Art zu beachten sind. Sie sind das Wesen der Rechtsanwendung. Die entscheidende anwaltliche Tätigkeit ist die Erfassung des rechtlich relevanten Sachverhalts und die Subsumtion desselben unter die rechtlichen Vorgaben, um ein diesen entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Weder aus der Tätigkeitsbeschreibung noch aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich, dass sie bei der Aufklärung des Sachverhalts oder der rechtlichen Bewertung und der Erarbeitung und Erzielung von Lösungen in ihrer Unabhängigkeit, etwa durch unternehmensinterne Handlungsanleitungen beschränkt wäre. Die Tätigkeit der Beigeladenen erfolgt vielmehr im Rahmen der rechtlichen Vorgaben und Vereinbarungen, zu denen auch die Versicherungsbedingungen zählen, weisungsfrei.
Die Aufklärung versicherungsrechtlicher Sachverhalte und ihre rechtliche Bewertung ist sehr komplex und hat nicht selten unter weitergehender Beweiswürdigung zu erfolgen. Es handelt sich dabei um tatsächlich und rechtlich komplexe und anspruchsvolle Tätigkeiten.
Die anwaltliche Tätigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass, wie die Klägerin meint, nicht die rechtliche Bewertung, sondern nur das wirtschaftliche Interesse im Mittelpunkt der Verhandlungen stünden, da sie sich nur im Rahmen der Versicherungsbedingungen bewegten. Es liegt in der Natur der Verhandlungen und Vereinbarungen bzw. Streitigkeiten über versicherungsrechtliche Haftungsfragen, dass es im Ergebnis um eine wirtschaftliche Fragestellung und Folge geht. Diese ist aber Ergebnis eines rechtlich zu bewertenden Sachverhalts. Der inhaltliche Schwerpunkt der juristischen Tätigkeit liegt in dieser rechtlichen Bewertung, die zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führt. Dies stellt aber die Prägung der Tätigkeit der Beigeladenen durch das Merkmal des § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO nicht in Frage.
AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 - 1 AGH 33/16
Schon wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Großschadensfälle für das Unternehmen ist nachvollziehbar, dass die Arbeitgeberin von dem verantwortlichen Gruppenleiter fundierte Kenntnisse des einschlägigen materiellen Rechts, insbesondere der Problemkreise Kausalität/Zurechnung; Verjährungsrecht; Verschuldenszurechnung sowie des Prozessrechts (Beweislastverteilung; Beweiswürdigung, Kosten) und des internationalen/grenzüberschreitenden Versicherungsrechts erwartet. Desweiteren entspricht die vertraglich zugesagte Vergütung dem beschriebenen Anforderungsprofil, sie geht in jedem Fall deutlich über die einem kaufmännischen Angestellten üblicherweise geschuldete Entlohnung hinaus.
Bei der Tätigkeit des Beigeladenen handelt es sich auch um eine anwaltliche Tätigkeit gem. den Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist festzustellen, dass der Beigeladene in Ausübung seiner Tätigkeit Sachverhalte aufklärt, Rechtsfragen prüft und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO) sowie, dass seine Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbstständige Führen von Verhandlungen, und auf das Verwirklichen von Rechten ausgerichtet ist (§ 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO).
Die Klägerin geht in der Klagebegründung davon aus, dass der Beigeladene entgegen § 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO lediglich feststehende Sachverhalte bewertet und prüft, in welchem Umfang aus dem Versicherungsvertrag Leistungen zu erbringen sind.Es gibt indes keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Tätigkeit des Beigeladenen hierauf beschränkt ist.
In der Tätigkeitsbeschreibung vom 26.02.2016 ist ausdrücklich ausgeführt, dass dem Beigeladenen die Bewertung der haftungs- und deckungsrechtlichen Sachlage bei Überlimit-Haftpflichtschäden (ab 50.000,00 €) aus den Bereichen Produkt-, Umwelt-, Bau-, Informationstechnologie sowie der Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Patentanwälte obliegt. Er schuldet in diesem Zusammenhang die selbstständige und eigenverantwortliche Herausarbeitung der jeweiligen rechtlichen Fragestellungen. Dies beinhaltet die Ermittlung des Sachverhaltes, die Beurteilung materieller Rechtsverhältnisse, eventuell bestehender Gesamtschuldverhältnisse sowie die rechtliche Beurteilung von Regressmöglichkeiten.
Die in der Tätigkeitsbeschreibung festgehaltenen Aufgaben des Beigeladenen, die dieser in der mündlichen Verhandlung nochmals erläutert und dargestellt hat, ohne dass die Klägerin den Angaben entgegengetreten ist, entsprechen nach dem Dafürhalten des Senats ohne weiteres der Realität des Versicherungsgeschäfts. Nachfragen des Versicherers nach Eingang einer Schadenanzeige zum Sachverhalt, insbesondere zum Schadenshergang, und das Anstellen eigener Ermittlungen entsprechen, soweit es sich nicht um Bagatellfälle handelt, der Regel und gewinnen in Relation zu der wirtschaftlichen Bedeutung des Schadensfalls für den Versicherungsnehmer und das Unternehmen Gewicht.
Der ermittelte Sachverhalt wird durch den Beigeladenen rechtlich bewertet, dann entscheidet er über das weitere Vorgehen. Er berät den Versicherungsnehmer und den Vorstand des Unternehmens über mögliche Handlungsoptionen wie etwa die Schadensregulierung, die Abwehr von Ansprüchen, über das Führen von Vergleichsverhandlungen, die Beauftragung von Rechtsanwälten zur Prozessführung sowie über die Möglichkeit, Regress- oder Ausgleichsansprüche zu verfolgen.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, der Beigeladene habe bei der Prüfung der verschiedenen Handlungsoptionen aufgrund der umfassenden Kodifizierung des Versicherungsvertragsrechts und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen allenfalls einen geringen Beurteilungsspielraum, sodass er im Wesentlichen die wirtschaftlichen aber nicht rechtlichen Verhältnisse bewerte, kann der Senat dem nicht folgen.
Die versicherungsrechtliche Materie ist offenkundig komplex; sie ist Gegenstand
einer besonderen Fachanwaltschaft und wird an den Obergerichten von Fachsenaten bearbeitet. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Beigeladene bei der Ausübung seiner Tätigkeit prüfen müsse, in welcher Weise die Beteiligten eines Schadenereignisses rechtlich miteinander verbunden sind und wie sich die speziellen vertrags- und versicherungsrechtlichen Regelungen auf das Haftungsverhältnis auswirken. Diese Tätigkeit erfordert nach der Bewertung des Senats tiefgreifende Kenntnisse des Haftungs- und Versicherungsrechts, sie geht in ihrer Komplexität erheblich über die reine Schadensachbearbeitung hinaus.Trotz Nichtannahme-Beschlüssen:
BVerfG auf Seiten der Syndikusrechtsanwälte
BVerfG, Beschl. v. 22.07.2016 - 1 BvR 2534/14 u.a.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3, 1. Alternative BVerfGG. Die Kammer hat aus Gründen der Billigkeit von ihrer Befugnis zu einer Kostenentscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht.
a) Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das mit der Verfassungsbeschwerde verfolgte Begehren als berechtigt anerkennt. In diesem Fall entspricht die Auslagenerstattung durch die zuständige Gebietskörperschaft der Billigkeit, ohne dass es auf die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde ankommt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>; BVerfGK 5, 316 <327 f.>; stRspr).
b) Der Gesetzgeber hat durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte zu erkennen gegeben, dass er dem von der Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Anliegen aus rechtspolitischen Gründen folgt. Erklärtes Ziel des Gesetzesvorhabens war es, die Rechtsstellung von Syndikusrechtsanwälten weitgehend anzugleichen und speziell im Hinblick auf die Befreiung von der Versicherungspflicht den vor Verkündung des mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Urteils des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 bestehenden Rechtszustand aufrechtzuerhalten beziehungsweise wiederherzustellen (vgl. BTDrucks 18/6915, S. 1 f.). Durch die Rechtsänderung ist die Beschwerdeführerin - unbeschadet der Frage des Umfangs der Rückwirkung von der Befreiung von der Versicherungspflicht - unmittelbar begünstigt worden. Gründe, warum ihr dieser wirtschaftliche Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde nicht auch in kostenrechtlicher Hinsicht zugutekommen sollte, sind nicht zu erkennen.
Die aktuelle Rechtslage
Das "Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung" (BGBl. 2015 I 2517 ff.) ist am 01.01.2016 in Kraft getreten.
Was angehende Syndikusrechtsanwälte beachten müssen, finden Sie in einer gesonderten Checkliste.
Die Rechtsanwaltskammern halten auf ihren Homepages Zulassungsformulare und Merkblätter für Syndikusrechtsanwälte bereit.
Achtung:
Die Formulare und sonstigen Unterlagen der einzelnen Regionalkammern weichen z.T. voneinander ab und ändern sich gelegentlich.
Zur Historie:
Befreiung von der Versicherungspflicht in der RentenversicherungDie Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) hatten sich auf vier Befreiungskriterien geeinigt.
Danach sollte der Rechtsanwalt im Anstellungsverhältnis (§ 46 BRAO) anwaltliche Tätigkeit ausüben, wenn er
- rechtsberatend
- rechtsentscheidend
- rechtsgestaltend und
- rechtsvermittelnd
tätig sei.
Diese Kriterien haben am 03.04.2014 aufgrund dreier BSG-Urteile zunächst ihre Bedeutung verloren, wurden vom Gesetzgeber im Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte aber wieder aufgegriffen.
Keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Syndikusanwälte
BSG, Urt. v. 03.04.2014 - B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R, B 5 RE 13/14 R
|
Das BSG stellt fest:
Wer eine weisungsabhängige Tätigkeit ausübe, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nehme, könne überhaupt nicht Anwalt sein. Auch dann, wenn der Syndikusanwalt seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand auf fachlich einem Rechtsanwalt entsprechenden Niveau gewähre und diesem gegenüber selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln vermöge, entspreche seine Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit bestehe. Die Bindungen und Abhängigkeiten in einem Dienst- und Anstellungsverhältnis stünden nicht im Einklang mit dem in den §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigen Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden.
Inhaber begünstigender Befreiungsentscheidungen hätten - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen worden sei - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff. SGB X hinausgehen dürfte.
Befreiungsantrag muss nach jedem Beschäftigungswechsel gestellt werden
BSG, Urt. v. 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R, B 12 R 8/10 R, B 12 R 3/11 R
Das BSG spricht einer einmal ausgesprochenen Befreiung nur noch eine begrenzte Rechtskraftwirkung zu, die auf die jeweilige Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit, für die die Befreiung einmal ausgesprochen worden ist, begrenzt ist.
Konkret bedeutet dies, dass insbesondere bei Wechsel des Arbeitgebers, aber auch bei einer Änderung nur des Aufgabenzuschnitts das Befreiungsverfahren erneut zu durchlaufen ist.
Der Antrag muss fristwahrend und unter Einhaltung der 3-Monatsfrist des § 6 Abs. 4 SGB VI gestellt werden.
Die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV) sagt zum Vertrauensschutz für Altfälle:
"Das BSG hat ... eine 20 Jahre andauernde Verwaltungspraxis, nach der Angehörige der Freien Berufe nicht bei jedem Tätigkeitswechsel einen neuen Befreiungsantrag zu stellen brauchten, solange eine einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI unter der jeweiligen Berufsbezeichnung (z.B. als Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt) fortwirkte, beendet. Aus Bestands- und Vertrauensschutzgesichtspunkten muss deshalb bei der Behandlung von Altfällen, also Angehörigen der Freien Berufe, die im Lichte der Entscheidungen des BSG vom 31.10.2012 nunmehr über keine aktuell wirksame Befreiung für die von ihnen zuletzt ausgeübte Beschäftigung mehr verfügen, Rechtsfrieden eintreten und die Befreiung Bestand haben, soweit (wie nach bisheriger Rechtslage) die materiellen Befreiungsvoraussetzungen rückwirkend gegeben sind, also eine berufsgruppenspezifische Tätigkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt wurde."
Zurzeit gibt es Gespräche zwischen der ABV und der Deutschen Rentenversicherung Bund mit dem Ziel, zumindest für diejenigen, die vor 2005, dem Jahr, in dem man sich auf den Katalog der vier Kriterien verständigt hat, ihren Arbeitsplatz gewechselt haben, Vertrauensschutz zu vereinbaren.
Vertrauensschutz müssen natürlich auch diejenigen genießen, die (auch noch nach 2005) von der DRB selbst die Auskunft erhalten haben, eine neue Antragstellung sei nicht nötig.
Achtung!
Auch bei einem anderen Rechtsanwalt angestellte Anwälte sind "angestellt" und müssen einen Befreiungsantrag stellen. Und auch sie müssen bei jedem Arbeitsplatzwechsel die Befreiung erneut beantragen.
Zum Nachlesen:
Offermann-Burckart,
Die Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte im Praxistest,
15 neue Fragen und Antworten zum Syndikusrecht (im Anschluss an AnwBl. 2016, 152),
AnwBl. 2016, 474
Offermann-Burckart,
Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte,
NJW 2016, 113
Offermann-Burckart,
Die neue Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und ihre rechtlichen Folgen,
13 Fragen und Antworten zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte,
AnwBl. 2016, 125
Offermann-Burckart,
Wie sieht die "Quadratur des Kreises" in der Praxis aus?,
AnwBl. 2015, 633 ff.
Offermann-Burckart,
Fast die Quadratur des Kreises,
AnwBl. 2015, 202 ff.
Prütting,
Ein wichtiger legislativer Schritt,
AnwBl. 2015, 199 ff.
weitere Veröffentlichungen:
Offermann-Burckart,
Die Systemrelevanz von Syndikusanwälten
Zwischen traditionellem Rollenverständnis, Berufsrecht und Lebenswirklichkeit
AnwBl. 2012, 778 - 787
Das Leben und die Anwaltschaft sind bunt. Der Rechtsanwalt, so wie er dem Gesetzgeber bei Schaffung der Bundesrechtsanwaltsordnung im Jahr 1959 vorgeschwebt haben mag, lässt sich heute nur noch schwer identifizieren.
Die Anwaltschaft kann es sich nicht leisten, auseinanderdividiert zu werden.
Trotz Kritik im Detail ist der Vorschlag des DAV zu begrüßen. Er sollte nach den erforderlichen Feinjustierungen möglichst schnell in die Praxis umgesetzt werden.
Kleine-Cosack,
Vom Syndikusanwalt zum Unternehmensjuristen - dient das der Anwaltschaft?
Brisante Probleme der in berufspolitischer Agonie verharrenden Anwaltschaft
AnwBl. 2012, 947 - 955
Der deutschen Anwaltschaft sollte klar sein, dass eine Fortdauer des von ihr an den Tag gelegten berufspolitischen Phlegmas beim Thema Syndikusanwälte nicht mehr zu verantworten ist. Wenn sie weiterhin vor allem der DRV und den Sozialgerichten Argumente gegen die Anerkennung der Anwaltstätigkeit der Syndikusanwälte liefert, dann muss man sich über die Folgen dieser Uneinsichtigkeit nicht wundern. Unverzichtbar ist ein grundsätzliches Umdenken bei der Bewertung der Tätigkeit angestellter Anwälte. Dem nach wie vor dominierenden kurzsichtigen Konkurrenzschutzdenken ist eine Absage zu erteilen, zumal die sich abzeichnenden Entwicklungen - wie zum Beispiel im Rechtsdienstleistungsrecht - ohnehin nicht aufzuhalten sind.
Die Ausgrenzung des Syndikus - ein Schritt in die falsche Richtung
Widerspruch zwischen BGH und BFH fordert den Gesetzgeber - Vorschlag für neuen § 46 BRAO
AnwBl. 2013, 78 - 84
Der Gesetzgeber sollte künftig zunächst den Grundsatz normieren, wonach auch derjenige Rechtsanwalt ist, der seine rechtsberatende Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis ausübt, unabhängig davon, ob sein Arbeitgeber Rechtsanwalt oder ob er ein nicht anwaltlicher Arbeitgeber ist. Bei einer solchen Neufassung der gesetzlichen Regelung müsste sich der Gesetzgeber jedoch entscheiden, ob er einem solchen Syndikusanwalt Berufsausübungsbeschränkungen auferlegen will oder nicht. Beseitigt werden sollte unbedingt die Verpflichtung des Syndikus zu anwaltlicher Tätigkeit in freier Praxis. Dieses Merkmal war bisher lediglich als "Mogelpackung" bedeutsam.
Kury,
Die Rechtsanwälte in ständigen Dienstverhältnissen; eine Anmerkung zur rechtlichen Stellung der Syndici
BRAK-Mitt. 2013, 2 - 6
In seiner Befassung mit dem gleich schwierigen wie tückischen Verhandlungsgegenstand der Rechtsnatur des Syndicusanwaltes hat der bei der BRAK eingerichtete BRAO-Ausschuss seine derzeit größte Herausforderung erkannt ... .
Der Ausschuss wird für seine Erörterungen noch einige Zeit benötigen. Es ist selbstverständlich, dass er die derzeitigen Veröffentlichungen zur Kenntnis nimmt und prüft. Vor solchem Hintergrund sieht er in dem vom Deutschen Anwaltverein e.V. unterbreiteten Vorschlag eine Bereicherung der Diskussion. Allerdings lässt sich dazu wohl schon heute anmerken, dass auf reinen Deklarationen wenig Segen liegt. Die Erklärung vermag die Rechtswirklichkeit nicht umzuformen. Deshalb muss bei einer auf den heutigen Beurteilungszeitpunkt bezogenen Gesamtbetrachtung bei der konkreten Tätigkeit der Syndici angesetzt werden.