Vermischtes

Informationen und Tipps zu allen anderen anwalts- und berufsrechtlichen Themen von Relevanz
(z.B. Kanzlei; Unterrichtung des Mandanten; Umgang mit Empfangsbekenntnissen; Gebührenrecht; Vergütungsvereinbarungen; Abrechnungsverhalten; Berufshaftpflichtversicherung; Besteuerung von Rechtsanwälten; Marketing etc.)
finden sich bei

Offermann-Burckart (Hrsg.),
Anwaltsrecht in der Praxis (Berufsrecht, Kanzlei, Vergütung),
401 Seiten, 1. Aufl. 2010, Verlag C.H. Beck (ISBN 978-3-406-59995-8)

und

Kilian/Offermann-Burckart/vom Stein (Hrsg.),
Praxishandbuch Anwaltsrecht,
797 Seiten, 3. Aufl. 2018, Deutscher AnwaltVerlag (ISBN 978-3-8240-1466-8).


Kleine BRAO-Reform
Das "Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe" vom 12.05.2017 (besser bekannt unter dem Schlagwort "kleine BRAO-Reform") wurde im BGBl. 2017 I S. 1121 ff. vom 17.05.2017 verkündet.
Mit der kleinen BRAO-Reform wird die BRAO aus dem Jahre 1994, die – sieht man von der Regulierung des Syndikusanwalts zum 01. Januar 2016 ab – zuletzt vor rund sieben Jahren 2009 vor allem durch ein modernes berufsrechtliches Verfahrensrecht aufgefrischt worden ist, wieder einmal auf Vordermann gebracht. Nach etlichen Streichungen im Rechtsausschuss des Bundestags bleiben vor allem viele kleine, auf den ersten Blick unspektakuläre Änderungen. Gleichwohl finden sich für die anwaltliche Praxis relevante Änderungen bei der Kanzlei oder der Handakte - und manche Streitfrage in der Kammerwelt ist obsolet.

Alle wichtigen Details liefert
Offermann-Burckart, (Ziemlich) kleine BRAO-Reform - die wichtigsten Änderungen im Überblick, AnwBl. online 2017, 238


Offermann-Burckart,
Vorsicht Falle!
- Anwaltshaftung beim Abschluss von Vergleichen

FPR 2012, 550- 556

Die Anforderungen, die bei einem Vergleichsschluss an den beratenden und mitwirkenden Rechtsanwalt gestellt werden, sind hoch. Das gilt unabhängig davon, ob der Mandant in dem Termin, in dem ein Prozessvergleich ausgehandelt wird, anwesend ist oder nicht. Im Gegenteil kann die Anwesenheit des Mandanten zusätzlichen Druck, vor allem auch Zeitdruck, entfalten. Und nicht einmal, wenn das Gericht den Vergleich selbst vorschlägt, kann sich der Rechtsanwalt entspannt zurücklehnen.




Schadensersatzanspruch wegen vertragswidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts nur unter engen Voraussetzungen

BGH, Urt. v. 16.07.2020 - IX ZR 298/19

Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist.


Weiterleitung von Stellungnahmen nur mit Zustimmung des Anwalts erlaubt


Stellungnahmen, die der nach § 56 Abs. 1 BRAO beteiligte Rechtsanwalt in einem ihn betreffenden berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahren gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer abgibt, sind Bestandteil der über ihn von der Rechtsanwaltskammer geführten Personalakte und unterliegen der Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechtsanwaltskammer nach § 76 Abs. 1 BRAO. Ihre Weiterleitung an den Beschwerdeführer bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Rechtsanwalts.

In dem Schweigen des Rechtsanwalts liegt auch dann keine konkludente Zustimmung zur Weiterleitung seiner Stellungnahme an den Beschwerdeführer, wenn die Rechtsanwaltskammer ihm zuvor mitgeteilt hat, die Zweitschrift seiner Stellungnahme sei grundsätzlich zur Weiterleitung an den Verfasser der Eingabe bestimmt, um ihm Gelegenheit zur abschließenden Äußerung zu geben, soweit seine Stellungnahme ausschließlich nur für den Kammervorstand bestimmt sein solle, müsse er darauf besonders hinweisen.


Keine Mitwirkungspflicht bei Zustellung von Anwalt zu Anwalt

BGH, Urt. v. 26.10.2015 - AnwSt (R) 4/15

Ein Rechtsanwalt, der die Mitwirkung an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt verweigert, indem er nicht das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, begeht keine Berufspflichtverletzung.

Die in § 14 S. 1 BORA bezeichnete Pflicht zur Annahme des zuzustellenden Schriftstücks und zur unverzüglichen Erteilung des Empfangsbekenntnisses beansprucht für alle ordnungsgemäßen Zustellungen Geltung, bezieht mithin Zustellungen von Anwalt zu Anwalt gem. § 195 ZPO ein.

§ 59b Abs. 2 BRAO enthält jedoch keine den Grundsätzen des Vorbehalts sowie des Vorrangs des Gesetzes genügende Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung einer Berufspflicht des Rechtsanwalts, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken.


Garantenstellung des Anwalts aus § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG


§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eine Garantenstellung des Rechtsanwalts, der vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung aufzuklären hat.


Nicht zu kleinkariert!
BGH äußert sich moderat zum Formularzwang in der Zwangsvollstreckung

BGH, Beschl. v. 13.02.2014 - VII ZB 39/13

Die den Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses regelnden Rechtsnormen können verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist.

In diesen, seinen Fall nicht zutreffend erfassenden Bereichen ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular Streichungen, Berichtigungen oder Ergänzungen vornimmt oder das Formular insoweit nicht nutzt, sondern auf beigefügte Anlagen verweist.

Ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist nicht formunwirksam, wenn sich der Antragsteller eines Antragsformulars bedient, das im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthält.

Ein Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist auch nicht deshalb formunwirksam, weil das Antragsformular nicht die in dem Formular gem. Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV enthaltenen grünfarbigen Elemente aufweist.


Fair bleiben
Vor einem "Deal" muss auf in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden


Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, den Angeklagten vor einer Verständigung gem. § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen gem. § 56b Abs. 1 S. 1 StGB (hier: die Auflage, 300 Stunden gemeinnützige Arbeit im Umfang von mindestens 50 Stunden binnen jeweils eines halben Jahres abzuleisten, mit dem Vorbehalt einer Umwandlung der Auflage in eine Zahlungsauflage bei Aufnahme einer Arbeitstätigkeit) hinzuweisen.


Anwalt muss täglich den Spam-Filter kontrollieren

LG Bonn, Urt. v. 10.01.2014 - 15 O 189/13

1. Ein Rechtsanwalt verletzt seine Pflichten aus dem Mandatsvertrag dann, wenn er seinen Spam-Filter nicht täglich kontrolliert, wenn er seine Mailadresse für den geschäftlichen Verkehr eröffnet hat.

2. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, wesentliche Korrespondenz der Gegenseite, die er per Mail erhält, unverzüglich an seinen Mandanten weiterzuleiten.

3. Kommt es durch die verzögerte Weiterleitung eines befristeten Vergleichsangebots durch den Rechtsanwalt zu einem Scheitern des Vergleichs, so muss der Rechtsanwalt seiner Partei den dadurch entstandenen Schaden ausgleichen.


BGH hebt Urteil des OLG Bamberg zu freier Anwaltswahl für Rechtsschutzversicherte auf

BGH, Urt. v. 04.12.2013 - IV ZR 215/12

Die durch §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO gewährleistete freie Anwaltswahl steht finanziellen Anreizen eines Versicherers in Bezug auf eine Anwaltsempfehlung (hier: Schadenfreiheitssystem mit variabler Selbstbeteiligung) nicht entgegen, wenn die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim Versicherungsnehmer liegt und die Grenze unzulässigen psychischen Drucks nicht überschritten wird.


"Deal" im Strafprozess verfassungsgemäß

BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11

1. Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen.

2. Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechnanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet ist, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren.

3. Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.

4. Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig.




Verpflichtung von Rechtsanwälten, die als Berufsbetreuer tätig werden, zur Anmeldung der Betreuertätigkeit als Gewerbe

BVerwG, Urt. v. 27.02.2013 - 8 C 7.12 u. 8 C 8.12

Auszug Pressemitteilung des BVerwG vom 07.03.2013:

Bei der Tätigkeit des Berufsbetreuers handelt es sich um den Betrieb eines stehenden Gewerbes mit der Folge, dass die Tätigkeit gewerberechtlich angezeigt werden muss. Das gilt auch dann, wenn sie von einem Rechtsanwalt ausgeübt wird. ... Eine freiberufliche Tätigkeit würde jedenfalls eine höhere Bildung oder schöpferische Begabung voraussetzen. ... § 1897 Abs. 1 BGB verlangt lediglich, dass der Betreuer geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und diesen persönlich zu betreuen. Eine spezielle berufliche Ausbildung wird vom Gesetz nicht gefordert. 


Drohung mit Mandatsniederlegung zur Unzeit


Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, andernfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen.