in: Offermann-Burckart (Hrsg.), Anwaltsrecht in der Praxis (Berufsrecht, Kanzlei, Vergütung),
1. Aufl. 2010, Verlag C.H. Beck (ISBN 978-3-406-59995-8)
§ 11 Rdn. 11 ff.
Der Beruf des Rechtsanwalts kann nicht von jedem Interessierten, auch nicht von jedem Volljuristen ausgeübt werden, der die Befähigung zum Richteramt besitzt. Aus § 6 Abs. 1 BRAO ergibt sich vielmehr, dass die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs eine förmliche Zulassung voraussetzt. Das hat seinen Grund darin, dass zur Rechtsanwaltschaft nur derjenige zugelassen werden soll, der die erforderlichen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt.
Nach § 6 Abs. 2 BRAO darf ein Antrag nur aus "den in diesem Gesetz bezeichneten Gründen" abgelehnt werden. Gemeint sind damit die Gründe des § 7 BRAO, die insoweit abschließend sind.
Da § 7 BRAO die Versagungsgründe abschließend aufzählt, hat ein Bewerber, der die nach § 4 BRAO erforderliche Berufsbefähigung erworben und nachgewiesen hat, einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Dies folgt aus Art. 12 GG. Sämtliche der in § 7 BRAO genannten Versagungsgründe sind daher zwingend. Liegt kein Versagungsgrund vor, muss der Bewerber zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden.
§ 11 Rdn. 39 ff.
Durch die BRAO-Novelle aus dem Jahre 1989 wurde das Recht der Rücknahme und des Widerrufs der Zulassung neu gestaltet und an die Terminologie des allgemeinen Verwaltungsrechts, das zwischen der Rücknahme eines (rechtswidrigen) Verwaltungsaktes (VA) und dem Widerruf eines (rechtmäßigen) VA unterscheidet (§§ 48, 49 VwVfG), angepasst. Demgemäß setzt die in § 14 Abs. 1 BRAO geregelte Rücknahme der Zulassung im Sinne der verwaltungsrechtlichen Dogmatik voraus, dass die ursprüngliche Zulassung rechtswidrig erfolgt ist.
... Dabei enthält § 14 BRAO in den Abs. 2 und 3 zwei Gruppen von Widerrufsgründen: § 14 Abs. 3 BRAO betrifft die Nichterfüllung von kanzleibezogenen Pflichten, die den Rechtsanwalt nach seiner Zulassung treffen; ihre Verletzung kann, muss aber nicht zum Widerruf der Zulassung führen. § 14 Abs. 2 BRAO behandelt hingegen solche Umstände, die bei anfänglichem Vorliegen eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von vornherein blockiert hätten. Aus diesem Grund ist die Zulassung bei diesen Widerrufsgründen zwingend zu widerrufen.
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
Beschluss nach § 287a Abs. 1 InsO widerlegt nicht die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls
BGH, Beschl. v. 29.12.2016 - AnwZ (Brfg) 53/16
Nach Auffassung des Senats ist mit dem Beschluss gem. § 287a InsO n.F. die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) nicht widerlegt.
Im Unterschied zur Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F. erfolgt der Beschluss gem. § 287a InsO nicht nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens, sondern - als Eingangsentscheidung - bereits mit oder unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Gesetzgeber geht ausweislich der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bestimmten Vermutung des Vermögensverfalls davon aus, dass die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ungeordnet sind. Mit dieser Wertung wäre es nicht vereinbar, wenn die gesetzliche Vermutung bereits durch die Eingangsentscheidung nach § 287a InsO, also zeitgleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unmittelbar danach, allein bei Zulässigkeit eines Restschuldbefreiungsantrags sogleich widerlegt wäre.
Mit dem Beschluss nach § 287a InsO erfolgt auch - insofern anders als bei der Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F. - keine Prüfung von Versagungsgründen i.S. von § 290 InsO (...). Der Schuldner muss damit rechnen, dass bei Vorliegen solcher Versagungsgründe - auch noch nach dem Schlusstermin (§ 297a InsO) - auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung versagt werden kann. Letztere hat sich daher zum Zeitpunkt der Eingangsentscheidung noch nicht zu einer konkreten Aussicht verdichtet. Die Vermögensverhältnisse des Schuldners sind in diesem frühen Stadium - bei oder unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - noch nicht in vergleichbarer Weise geordnet wie im Fall eines angenommenen Schuldenbereinigungsplans, einer außergerichtlichen Tilgungsvereinbarung oder einer am Ende des Insolvenzverfahrens erfolgenden Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO a.F.
Zur gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls
BGH, Beschl. v. 03.11.2015 - AnwZ (Brfg) 40/15
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 01. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung nach der gesetzlichen Wertung des vorrangigen Interesses der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast.
Die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist, setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt - im Wege der Selbstbeschränkung - seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern.
Zur Widerlegung des Vermögensverfalls
BGH, Beschl. v. 14.10.2014 - AnwZ (Brfg) 22/14
Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind.
Die von der beklagten Rechtsanwaltskammer vorgelegte fortgeführte Forderungsliste spricht dafür, dass die Klägerin nur wirtschaften kann, indem sie neue Schulden auflaufen lässt, und Schulden über einen gewissen Zeitraum nur unter dem Druck des Widerrufs ihrer Zulassung oder von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bezahlt; in solchen Fällen kann der Nachweis des Vermögensverfalls regelmäßig als geführt angesehen werden.
Wie dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 Nr. 7 1. Hs. BRAO zu entnehmen ist, geht die Bundesrechtsanwaltsordnung im Grundsatz von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt.
Zum Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Zulassungswiderrufs
BGH, Beschl. v. 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10
Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt.
... ist nach den materiell-rechtlichen Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Zulassungswiderrufs der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.
Kein Widerruf der Anwaltszulassung trotz Vermögensverfalls
BGH, Beschl. v. 18.10.2004 - AnwZ (B) 43/03
Eine Gesamtwürdigung der Person des Antragstellers, der Umstände des eröffneten Insolvenzverfahrens und der weitgehenden Beschränkungen, denen sich der Antragsteller arbeitsvertraglich unterworfen hat, lässt hier ausnahmsweise den Schluss zu, dass durch seinen Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist.
Seit Anfang 2003 ist der Antragsteller als angestellter Anwalt in einer größeren Anwaltskanzlei tätig. Im Arbeitsvertrag hat er sich im Hinblick auf die durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO geschützten Belange der Rechtsuchenden erheblichen Beschränkungen unterworfen. So ist vereinbart, dass sein Name weder auf dem Briefkopf noch auf dem Praxisschild erscheint. Die Mandate werden im Auftrag und für Rechnung der Sozietät abgeschlossen, eigene Mandate darf der Antragsteller nicht annehmen. Zahlungen an die Sozietät darf er nicht entgegennehmen. Wenn es in Ausnahmefällen zu Barzahlungen kommen sollte, hat der Antragsteller entsprechend der Übung in der Sozietät einen Sozius und die Bürovorsteherin bzw. deren Vertreterin hinzuziehen. Die Rechtsanwälte, die den Arbeitsvertrag mit dem Antragsteller geschlossen haben, haben sich vertraglich verpflichtet, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Antragstellers an den Insolvenzverwalter bzw. an einen vom Insolvenzgericht zu bestellenden Treuhänder abzuführen. Der Antragsteller und sie haben sich ferner durch schriftliche Erklärung der Antragsgegnerin gegenüber verpflichtet, jede Änderung des geschlossenen Anstellungsvertrags und ein etwaiges Ende des Anstellungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen.
Bei Würdigung aller Umstände und unter Berücksichtigung des dem Antragsteller zustehenden Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) erscheint es nicht gerechtfertigt, ihm im Hinblick auf die allenfalls noch theoretisch gegebene Möglichkeit einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu entziehen.
Die Praxisrelevanz der vorstehenden Entscheidung ist gering, weil die Rechtsanwaltskammern und die Anwaltsgerichtshöfe bzw. der Anwaltssenat des BGH die dargestellten besonderen Umstände nur in sehr seltenen Ausnahmefällen für gegeben halten!